Der arme Anton

Die gemeinsamen, fröhlichen Tage flogen nur so dahin. Nussi und Knacker hatten nicht nur ein Nest gebaut, sondern auf verschiedenen Bäumen, gut versteckt, drei weitere Eichhörnchennester erstellt. Aber nur in einem Nest, nämlich auf der alten knorrigen Fichte, passierte zwei Monate später ein Wunder. Nussi gebar nämlich vier süsse, kleine Eichhörnchen und gab ihnen jeden Tag von ihrer Milch zu trinken. Ihre Jungen wurden auf die Namen Nixi, Naxi, Nuxi und Noxi getauft. Nixi und Naxi waren Schwestern, Nuxi und Noxi ihre beiden Brüder.

Knacker hatte sich aber kurz nach der Geburt wieder aus dem Staub gemacht. Nussi wusste, dass dieses Verhalten bei den Eichhörnchen ganz normal ist. Sie widmete sich ganz eifrig ihren Arbeiten als Mutter und Erzieherin. Fleissig suchte sie in der Umgebung nach Nahrung. Aber das war in den letzten Jahren ein Problem geworden. In der Nähe des Nestes waren ganz viele grosse, bunte Blumen gewachsen. Sie hatten hellgrüne Blätter und eigentlich wunderschöne violette Blüten. Aber diese Pflanzen wuchsen so üppig, dass andere Pflanzen und Sträucher keine Chance hatten zu wachsen. Nussi musste lange Wege zurücklegen um zu den Haselnusssträuchern zu gelangen. Dort fand sie hin und wieder eine Nuss, die sie dann mit ihren scharfen Zähnen aufknacken konnte und den Inhalt ihren Jungen verteilte. Es war eine strenge Arbeit. Am Abend sank Nussi müde in ihr Nest zu ihren vier jungen und erzählte ihnen eine Geschichte.

Vor einem Jahr spazierte eine Schulklasse den Lusberg hinauf. Ganz in der Nähe unseres Nestes erzählte die Lehrerin ihren Kindern eine traurige Geschichte. Ich konnte sie aus meinem Versteck ganz gut mithören.

Einst lebte in einer Höhle am Weg zum Lusberg ein ganz kurliger Mann. Er hatte einen hässlichen Kopf, Knopfaugen und eine Hakennase. Auch konnte er wegen seinen kurzen Beinen nicht richtig laufen. Er glich eher einem Ungeheuer als einem Menschen. Aber er war eigentlich ein ganz friedlicher und gutmütiger Mensch. Vor seiner Höhle hatte er ein kleines Stück Land, wo eine Ziege lebte und wo er in einem kleinen Garten Gemüse pflanzen konnte. So hatte er ein wenig zu essen.

Oft ging er nach Reiden und half dort in einem Restaurant ein bisschen aus. Die jungen Leute trieben es mit Anton, dem kauzigen Mann oft ganz bunt und plagten ihn. Eines Tages wollten sie ihm einen Streich spielen. Sie überredeten ein Mädchen dazu sich als Hexe zu verkleiden und in der Nacht in der Nähe der Fischteiche auf Anton zu warten. Als Anton auf dem Heimweg dort vorbeikam, trat das Mädchen hervor und umarmte ihn. Anton erschrak ganz heftig und wollte sich von der Hexe befreien. Er stiess sie von sich weg, und dabei stürzte das Mädchen in den Fischteich, wo es im eiskalten Wasser ertrank. Anton rannte schnell in seine Höhle zurück.

Die jungen Burschen warteten vergeblich auf das Mädchen. Sie begannen zu suchen aber fanden die junge Frau nicht mehr, weil der Fischteich schon zugefroren war. Anton blieb auch spurlos verschwunden. Über dem Antoniloch, so nennt man die Höhle noch heute, schwebt von da an oft am Himmel eine kleine weisse Wolke, die an das Mädchen und an den armen, geplagten Mann erinnert.